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Dienstag, 15. September 2015

Der Intellekt mag sich weiterentwickelt haben, aber die Seele ist dabei auf der Strecke geblieben. *Khoury*

An sich bin ich kein gläubiger Mensch. Dafür sehe ich viel zu oft Hass und Blut. Nun befinde ich mich gerade auf Thassos, meiner sozusagen "halben Heimat" und stelle mit Enttäuschung fest, dass die Menschen, die von sich behaupten, sie seien gläubig, viel Zeit damit verbringen, zu lästern.

Ich höre meine Tante tönen, dass ihr Bruder nicht in die Kirche geht, seit er seine Freundin hat. Und wie gläubig doch die Bulgarien seien, die bei der Predigt gar auf den Knien beten.

Im Gespräch mit einem Priester fällt das Wort "Musulmane" und ein verächtliches Schnauben erklingt (nicht vom Priester, sondern von einer Dame).

Ich bin erzürnt. Betrachten wir einmal die Bibel, stammen wir alle vom selben Menschen ab. Nachkommen Adams, Nachkommen Abrahams und Nachkommen Moses'. Wann genau hat die Religion ihre Geburtsstunde erfahren? Wann wurde beschlossen, welche Bücher in die Bibel aufgenommen werden sollen? All das geschah erst rund 300 Jahre nach dem Tod Jesu, weitererzählt von Mund zu Mund.

Im Dorf lebt ein Mann, der ein Restaurant leitet. Er berechnet Kindern nichts für Eis. Wenn ein Hungernder an ihn herantritt, gibt er ihm Speis und Trank und ein Päckchen Zigaretten. Er bezahlt seine Angestellten gut und ist gerecht. Er geht nicht in die Kirche.

Eine Frau, die im selben Dorf wohnt, geht fast täglich in die Kirche und tut Buße, doch kaum verlässt sie das Gebäude (und mehr ist es nicht - von Menschen erbaut) lästert sie über andere, fällt ihnen ins Wort und verlangt von ihnen, Rechenschaft abzulegen über was sie essen, wohin sie gehen und mit wem sie sprechen.

Und genau das ist vermutlich der Punkt, warum ich nicht gläubig bin. Diese Doppelmoral ist mir seit jeher ein Dorn im Auge. Sind wir in Gottes Augen nicht alle gleich, egal welcher Religion wir angehören? Wen der beiden Personen, liebt er wohl mehr?

Ich dachte immer, ich sei Agnostikerin, doch das stimmt nicht. Ich bin Gnostikerin. Ich glaube, dass wir Menschen ein jeder das Richtige tun muss. Es sollte normal sein, hungrige zu speisen. Nicht schlecht über andere zu reden. Respektvoll zu handeln, nicht nur dem Menschen gegenüber. Man sollte nicht Quallen aus dem Meer holen und sie in der Sonne verenden lassen, nur weil man Fotos machen will. Oder Katzen treten. Oder Esel überladen.

Die Religion ist eine Institution, die früher einmal dazu diente, die Menschen dazu zu bringen, Gutes zu tun. Doch nicht durch Güte, sondern indem sie Angst vor der Hölle schürte. Wir sind heute weiter als das. Wir haben alles und davon zu viel. Wir haben die Wissenschaft, durch die wir älter als nur 30 Jahre werden. Wir haben aber vergessen, wie wir miteinander zu leben haben.

Ich weigere mich, eine Religion zu akzeptieren, die andere Religionen schlecht macht oder die Menschen dazu bringt zu glauben, wenn sie nur zur Kirche gehen und spenden, sei alles gut. Ich weigere mich dem Märchen zu glauben, das die Kirche uns aufzwingt, indem sie eine frisiert Bibel auf den Markt bringt.

Aber ich verspreche, mein Bestes zu geben, ein guter Mensch zu sein, anderen meine Hilfe anzubieten, ihnen Essen und Trinken zu geben und nicht schlecht zu reden oder zu denken. Es ist nicht immer einfach, wirklich. Aber gerade deswegen ist es mehr wert, als ein Egoist zu sein und mit einem Gebet und einem Kirchenbesuch seine Fehltritte zu kaschieren.

Ich wünsche euch einen Tag des Friedens.


1 Kommentar:

  1. Das, was Du beobachtet hast, kann ich aus vielfachem eigenen Erleben nur bestätigen. Es kommt wahrlich nicht darauf an, in die Kirche zu gehen oder einer der gängigen Religionen zu folgen, um ein Mensch im ureigensten Wortsinn zu sein.

    Freilich gibt es Menschen in diesem Sinne auch unter Christen, unter Juden, unter Muslimen. - Aber nicht jeder, der sich zu einer dieser Religionen bekennt ist menschlich.

    Und Religion wird von jedem anders interpretiert und gelebt. Es gibt unter Christen und Juden ebensolche Fundamentalisten wie unter den Muslimen.

    Eine muslimische Blogfreundin von mir (leider weiß ich nicht, ob ich sie durch die Schließung bei blog.de nnun nicht verlieren werde - sie hat auch schon sehr lange nichts mehr geschrieben) hat es meiner Ansicht nach vermocht, in und durch ihre Ansichten und ihre Art zu leben, die religionen miuteinander zu verbinden. Dadurch, dass sie zutiefst menschlich ist.

    Ich denke schon, dass dies durchaus ein sehr ursprüngliches Anliegen, wenigstens der so genannten Weltreligionen ist. - Aber die Menschen, und nicht zuletzt viele der selbsternannten Diener Gottes oder Allahs etc. unter ihnen, machen etwas ganz anderes daraus. Etwas, was mit diesem Anliegen kaum noch etwas oder gar nichts mehr zu tun hat.

    Ich weiß nicht, was ich bin. Christ oder Agnostiker oder sonst etwas. Ich glaube, ich bin von vielem etwas, und ich finde das in Ordnung. Ich passe nicht in die Schublade einer Religion oder allgemeinen Charakteristik.

    Ich weiß nur, dass ich an etwas glauben möchte. Ich versuche das auch, um selbst Halt zu finden, mich zu erden, der zu sein, der ich sein möchte - wohl sehr im Sinne des genannten Anliegens...

    Viele liebe Grüße an Dich - und Dankeschön, für den wieder sehr meine eigenen Gedanken inspirierenden Eintrag!

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